Mutterschaft.

“Ich bin Mutter.” Manchmal muss ich mir das selbst noch sagen, weil es sich immer noch nicht selbstverständlich anfühlt, dass dieses kleine Wesen mein Sohn ist. Der Satz gefällt mir allerdings besser als “Ich bin Mama.” oder gar “Ich bin die Mama/Mami von…”. Es ist das eine, dass mein Sohn mich bald Mami nennen wird (im Moment sind wir noch beide Mama, das kann er schon sagen), aber die “Mama/Mami/Mutti-Welt” ist eine ganz andere. Auf die reagiere ich halbwegs allergisch, sodass ich es zum Beispiel nicht über mich bringe, bei “Mamikreisel” zu bestellen oder an Gruppen mit Namen wie “StaMaStaKi” (Starke Mamas – Starke Kinder) teilzunehmen. Mal davon abgesehen, dass es meines Wissens in der Mehrheit der Familien auch Väter gibt, die aus solchen Angeboten per se ausgeschlossen werden, ist Mama oder Mami ein Kosename, auf den ich ungern reduziert werde.

In den letzten Monaten wurde mir erst so richtig bewusst, zu welcher Gruppe ich viele Jahre noch gehört hatte, ohne mir je groß Gedanken darüber zu machen: zu der der kinderlosen Frauen. Völlig überraschend, in einem Alter, als niemand mehr damit rechnete, scherte ich hier aus. Es wurde nie direkt ausgesprochen, aber natürlich gehörte ich vorher in der Arbeit und im Freundes- und Bekanntenkreis zur Gruppe der kinderlosen Frauen, genauso wie dies in der Familie galt. Dann war ich schwanger und “raus” bei den gewollt und ungewollt Kinderlosen. Dabei war ich noch nicht einmal Mutter. Verständlicherweise hatten alle Mütter in meinem Umfeld hingegen auf einmal ganz viele Tipps aus ihrer eigenen Lebenserfahrung für mich.

Paradoxerweise fühle ich mich aber nicht anders als früher. Ich weiß noch, wie es mich immer maßlos geärgert hatte, wenn ich mit dem Totschlag-Argument “Das verstehst du nicht, du hast ja keine Kinder” abgekanzelt wurde, was nicht nur einmal vorkam. Der Witz ist aber: jetzt habe ich ein Kind, aber vieles verstehe ich trotzdem immer noch nicht. Wie soll ich denn mit einem relativ pflegeleichten Kind verstehen, wie es Eltern mit einem Schreibaby gehen muss? Oder wie das ist, wenn sich das Kind mit Koliken oder Bauchschmerzen windet? Kam bei uns bisher nicht vor. Umgekehrt können sich bestimmt viele Eltern nicht vorstellen, mit welchen Schwierigkeiten sich Regenbogenfamilien im Allgemeinen oder auch wir im Speziellen herumschlagen müssen.

Kinder zu haben ist nicht besser und edler als kinderlos zu sein. Immer noch kann ich mich dermaßen über manche Leute aufregen, die Nicht-Eltern das vermitteln wollen. Natürlich ist es wunderschön, ein Kind aufwachsen zu sehen, diese besondere Liebe zu empfinden und zu empfangen – aber seid doch mal ehrlich, ein Leben ohne Kinder (darf ich erinnern an: ausschlafen, lesen, ins Kino/Theater zu gehen, wann man will, reisen, sich ehrenamtlich/politisch engagieren und vieles mehr – und all das selbstbestimmt) ist auch wunderschön. Ich fürchte, einige Eltern (miss)brauchen Kinder außerdem, um sich wertiger zu fühlen oder ihr Leben sinnhaft zu empfinden – was es sicherlich auch ohne Kind sein sollte.

Ich fühle mich gar nicht “mütterlich” – doch natürlich bin ich unserem Sohn eine Mutter, will gar eine gute Mutter sein. Gehöre ich demnach also zu “den Müttern”TM? Bei allen Gelegenheiten, bei denen ich bisher andere Mütter kennengelernt habe, habe ich festgestellt, dass es sich nicht anders verhält als vorher: manche finde ich nett, cool, lustig – manche finde ich doof, anstrengend, nervig. Im Allgemeinen genauso wie im Speziellen, also im Muttersein. Als verbindendes Element reicht Mutterschaft wenig überraschend keineswegs aus. Warum also diese Abgrenzung von den Kinderlosen? Gut gefallen haben mir da die Gedanken in Sheila Hetis Roman “Motherhood”, auch wenn man diese durchaus mehrfach lesen muss:

…And I don’t want ‘not a mother’ to be part of who I am – for my identity to be the negative of someone’s positive identity. Then maybe instead of being ‘not a mother’ I could be not ‘not a mother’. I could be not not.
If I am not not, then I am what I am. The negative cancels out the negative and I simply am. I am what I positively am, for the not before the not shields me from being simply not a mother. And to those who would say, You’re not a mother, I would reply, ‘In fact, I am not not a mother’. By which I mean I am not ‘not a mother’. Yet someone who is called a mother could also say, ‘In fact, I am not not a mother.’ Which means she is a mother, for the not cancels out the not. To be not not is what the mothers can be, and what the women who are not mothers can be. This is the term we can share. In this way, we can be the same.

Sheila Heti “Motherhood”, p. 157f.

Wie bereits in einem früheren Artikel ausgeführt: Es ist menschlich, dazugehören zu wollen. Es ist menschlich, sich über ähnliche Lebenserfahrungen austauschen zu wollen. Noch menschlicher ist es aber, Empathie und Verständnis für unterschiedliche Lebenswelten und -erfahrungen zu entwickeln, statt sich aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen abzugrenzen oder gar besser zu fühlen. Der Schlüssel liegt darin, finde ich, der und dem anderen zuzuhören und zu versuchen, sich in sie hineinzuversetzen. Von den eigenen Erfahrungen zu berichten, ohne anderen etwas abzusprechen, weil sie die entsprechende Erfahrung nicht selbst gemacht haben. Die Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit schätzen zu lernen und nicht den anderen die eigene Lebenswelt überstülpen zu wollen.

Einfach ist das nicht, da kann ich mich an der eigenen Nase fassen! So wenig, wie ich es kritisieren sollte, wenn eine Frau sich in der Schwangerschaft “erhaben” fühlt (ich hatte nicht einmal annähernd ein solches Gefühl) oder nach der Geburt des Kindes möglichst lange zu Hause bleiben mag, so will ich es auch akzeptiert wissen, dass mir in der Elternzeit nach einigen Monaten wirklich ein gewisses Maß an Herausforderung, Freiheit und Bestätigung fehlte, sodass ich mich auf den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben sehr freute. Ich will meine Mutterschaft so leben und erfüllen dürfen, wie es für mich und unsere Familie passt.

Es ist bei der Elternschaft wie bei jeder anderen Rolle, die man einnimmt im Leben: nur darauf reduziert zu werden, greift immer zu kurz. Ich gehöre nun also zur Gruppe der Mütter. Aber das ist eben noch lange nicht alles, was mich ausmacht.

Ich will Mutter sein und nicht Mutter sein.

(What fabrications they are, mothers. Scarecrows, wax dolls for us to stick pins into, crude diagrams. We deny them an existence of their own, we make them up to suit ourselves – our own hungers, our own wishes, our own deficiences. Now that I’ve been one myself, I know.”)

Margaret Atwood – The Blind Assassin
Seit ich ein Kind hab…. trifft sehr vieles aus diesem Liedtext auch auf mich zu.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert