Lowlights.

Das Neue Maxim Kino hat den Humor noch nicht verloren –
Today’s Special: Nothing

Den Begriff “Lowlights” habe ich in meinem Jahr in England gelernt. Wo mein Schul- und Uni-Englisch an seine Grenzen stieß, merkte ich ziemlich schnell, als dort mein WG-Leben begann: Ich konnte problemlos einen kritischen Aufsatz zum “No Child Left Behind Act” vom damaligen Präsidenten Bush verfassen, hatte aber Probleme mit alltäglichen Bezeichnungen in Küche, Bad und Haushalt. Auch bei meinem ersten Friseur-Besuch (in dem College, in dem wir auch unseren Sprachkurs für den TOEFL-Test hatten) musste ich mich verständlich machen und lernte schnell, dass Strähnchen auf Englisch Highlights heißen. Dies gilt aber nur für helle/blonde Strähnchen, dunkle Strähnen nennt man Lowlights.

Gut, das war nun etwas weit ausgeholt – aber hey, any exuse, um mich mal wieder an mein Englandjahr zurückzuerinnern. Wie im Deutschen auch, wird Highlights natürlich auch übertragen verwendet für Höhepunkte/Glanzpunkte. Und Lowlights für das Gegenteil, also die Tiefpunkte. Was mich zu 2020 bringt, auf den ersten Blick für die meisten ein Jahr voller Lowlights.

Das ist trotz Corona natürlich nur auf den ersten Blick wahr. Unstrittig ist aber wohl, dass es aufgrund all der Einschränkungen tatsächlich weniger Highlights als in anderen Jahren gab. Mein persönliches Lowlight ist mit Sicherheit, dass wir 2020 nicht einmal nach England gereist sind – nicht zur Familie, nicht in die zweite Heimat. An sich wären wir in zwei Tagen für einen ganzen Monat Elternzeit hingeflogen, nichts davon passiert nun. Das ist schmerzlich, für meine Frau noch mehr als für mich, aber ich merke dadurch auch, wie sehr diese verrückte Insel mein Herzensland ist.

Nun waren wir trotz Pandemie in diesem Jahr gesegnet mit einigen Highlights, das größte war die Geburt unseres zweiten Sohnes im Frühjahr. Auch hatten wir Glück, zweimal ins Zillertal, einmal ins Allgäu und für zwei Wochen nach Italien reisen zu können. Unsere Jobs, das Dach über dem Kopf, alles ist sicher bei uns – auch in der Krise sind wir wirklich privilegiert. Das größte Glück ist sicherlich, dass wir alle vier bisher gesund und unsere Familien von Covid19 verschont geblieben sind. Und dass wir uns immer noch mögen – nicht nur lieben, sondern auch mögen.

Es ist also Jammern auf hohem Niveau, doch wie die Wochen so verstreichen, spüre ich ganz deutlich, dass mir die Highlights fehlen: Konzerte, Demonstrationen, politische Diskussionsveranstaltungen, Theater und Kino, Ausgehen, tiefsinnige Gespräche bei Hochprozentigem in dunklen Kneipen… und Besuche von Freund*innen zum gemeinsamen Essen, Spielen, Filme schauen, Ratschen. Davon hat man als Eltern von einem Kleinkind und einem Baby selbstverständlich sowieso viel weniger – aber umso wertvoller werden diese Abende und Erlebnisse.

Unglaublich, wie auch ohne all das die Wochen verstreichen. Ohne dass man hinterher noch wirklich sagen könnte, was man gemacht hat – man hat manchmal das Gefühl, die Tage verschwimmen in ein Alltagsgrau ohne viele bunte Farbkleckse. Wenn man sich aber die Zeit nimmt, und abends über den Tag nachdenkt, merkt man doch, wie viele Highlights es gab – diese kleinen Momente, die das Leben lebenswert machen. Man muss nur ein bisschen genauer hinschauen als früher.

Das sollte der Vorsatz sein für die sicher noch lange Zeit, bis das Virus uns nicht mehr im Griff hat. Mein Wochenende hatte zum Beispiel ganz viele solcher Highlights: das virtuelle Treffen mit Freund*innen aus Schweden, Peißenberg und München, die leckeren Weihnachtsplätzchen, die Küsse unter dem Mistelzweig, die Lichterkette am Baum in unserem Hinterhof, die Nikolausteller, die die Nachbar*innen vor die Tür gestellt haben, das “Jingle Bells” und “Rudolph, the Red Nose Reindeer”-Singen von unserem älteren Sohn, das fröhliche Jauchzen vom Kleinen, wenn er wie ein Großer in seinem Stuhl sitzen darf, und so viel mehr.

Was diese Pandemie mit uns allen macht, kann ich wirklich nicht abschätzen. Ob wir daraus lernen werden? Ob wir einiges vielleicht “danach” besser zu schätzen wissen? Hoffentlich, schließlich sieht man die Highlights einfach besser, wenn es auch Lowlights gibt.

Die Kneipen schließen, die Kinos auch
Und im Schauspielhaus fällt der letzte Vorhang aus
Die Nachrichten rennen dem Algorithmus hinterher
Wenn in Moria die Zelte brennen, dann sieht das niemand mehr
Ich muss mich zwingen, ein paar Stunden
Mein Handy wegzulegen
Fühlt sich an, als wäre gestern
Alles halb so wild gewesen
Und morgen könnte alles, alles anders sein.

AnnenMayKantereit – Gegenwart

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert