Strictly.

Kennt ihr das, wenn man nach dem Urlaub zurück nach Hause kommt – in die eigene Wohnung, die zwei-drei Wochen niemand betreten hat und deren Fenster in dieser Zeit nicht geöffnet worden waren? Es riecht zwar unbenommen nach zu Hause, denn jede Familie hat ja ihren Eigengeruch, der so schnell nicht verfliegt. Es riecht aber auch leicht stickig, muffig, staubig und man möchte als erstes alle Fenster aufreißen.

So geht es mir gerade, wenn ich diesen leicht eingestaubten Blog öffne, um endlich wieder etwas zu schreiben. Ich weiß nur noch nicht so recht, wie ich das mit dem Durchlüften hinbekomme. Hoffentlich tut es das Thema! Ich möchte heute über etwas schreiben, was mich die letzten Wochen begleitet und erfreut hat: Strictly Come Dancing.

Da wundert sich vielleicht der eine Leser oder die andere Leserin, schließlich war ich noch nie für meine (Standard-)Tanzleidenschaft bekannt. Tatsächlich hab ich in meinem Leben mehr schlecht als recht ein paar Tanzkurse absolviert und habe (mit guter Führung!) ein bisschen tanzen können. Das letzte Mal unter Beobachtung wohl bei unserer Hochzeit. Das hat durchaus Spaß gemacht, aber war auch nicht einfach.

“Strictly Come Dancing” ist eine Tanzsendung, die auf dem englischen Sender BBC läuft – in Deutschland heißt das Format “Let’s Dance!”. Ich habe weder dem englischen noch dem deutschen Format in den letzten Jahren Beachtung geschenkt. Doch 2020 war alles anders. Es begann damit, dass meine Schwiegermutter aus England im Oktober für mehrere Wochen zu Besuch kam. Da sie die Sendung immer verfolgte, und ich neuerdings eine VPN-Lösung hatte, um den BBC iPlayer auch hier zum Laufen zu bringen, schauten wir also die Sendung mit ihr.

Ab diesem Moment gab es für mich keine andere Samstagabend-Gestaltung mehr: Wir waren zwar erst in Woche 4 eingestiegen, aber dann mit Feuer und Flamme dabei. Erst konnte ich es mir selbst gar nicht erklären, warum mich diese Art von Abendunterhaltung so ansprach. Es war wohl eine Mischung aus vielerlei. Zum einen finde ich es unglaublich bewundernswert, wie Leute, die keine professionellen Tänzer*innen sind, innerhalb von einer Woche solche Performances einstudieren konnten. Nicht weniger bewundernswert ist die Leistung der Tänzer*innen und Coaches, die mit ihnen zusammenarbeiten. In den Videoeinspielungen konnte man den Schweiß und die Tränen sehen, die Leidenschaft, den Enthusiasmus und die echte Arbeit, die von den Paaren reingesteckt wurde.

Die Show selbst ist natürlich großartig inszeniert. Die Musik wird live von einer fantastischen Band eingespielt, die Choreographien sind Weltklasse, der Tanzboden wird mit Videoeinspielungen lebendig gemacht, und die Jury allein (THE JUDGES!) ist es wert, die Sendung anzusehen. Anton Du Beke, der seine Eindrücke der verschiedenen Tänze mit großer Gestik wiedergibt; Shirley Ballas (aus Wallasey!), die eine echte Lady und sehr distinguierte Head Judge ist; Motsi Mabuse, die schon im deutschen Let’s Dance dabei war und in Deutschland eine Tanzschule betreibt, ist so sympathisch und lebhaft und “bubbly”, dass es eine reine Freude ist; und nicht zuletzt Craig Revel Horwood, bei dem man erwartet, dass er auch in der besten Suppe noch ein Haar findet und der einem diesen Gefallen mit einer wunderbaren Selbstironie auch immer wieder tut.

Die Paare, die tanzten, waren nicht weniger sympathisch und divers. Letzteres war auch eine große Besonderheit in diesem Jahr – ins Finale schafften es dann mit John & Johannes ein Männerpaar sowie mit Rose (mit Giovanni) eine gehörlose Teilnehmerin. Ich litt sehr mit AJ, welche eigentlich (mit Kai) die dritte im Finale gewesen wäre, es aber dann aufgrund einer Verletzung absagen musste. Wie furchtbar! Doch sie saß mit Gipsfuß, einem lachenden und einem weinenden Auge im Publikum.

Pünktlich zum großen Strictly-Finale hatten wir es auch nach England geschafft und konnten somit direkt vor Ort mit der Familie die spannende Entscheidung im TV miterleben. Mit Rose und Giovanni gewann das Paar, welches konstant eine unglaubliche Leistung gezeigt hatte. Allein die Hebefiguren ließen einen wirklich daran zweifeln, dass Rose nicht auch eine Profitänzerin ist. Dass sie sich außerdem als gehörlose Frau so zur Musik bewegen kann und dabei als sympatische und wichtige Botschafterin für die Gehörlosen-Community fungieren konnte, war wirklich einzigartig.

Auch John und Johannes setzten ein wichtiges Zeichen: Sie zeigten, dass zwei Männer gleichermaßen gefühlvoll tanzen können, nichts sah bei ihnen unnatürlich aus – vielmehr schafften sie es sogar, mitten im Tanz die Führung zu wechseln. Unglaublich.

Alles in allem waren die Samstagabende mit Strictly Come Dancing und die Sonntage mit den Resultaten wirkliche Highlights in diesem doch leicht grauen Pandemie-Alltag. Die Tänzer*innen schafften es, die Magie, die Farben und den Glanz ins Wohnzimmer zu zaubern, einem ein rundum gutes Gefühl zu verschaffen und einen aus dem Alltag zu entführen. Davon sollte es eindeutig mehr geben, und es ist ja nicht ausgeschlossen, dass man das auch erzeugen kann, indem man alleine zu guter Musik durchs Wohnzimmer tanzt… und so vielleicht auch ein wenig den alten Muff und Staub aufwirbeln kann.

Für das kommende Jahr wünsche ich jedenfalls allen – und mir – ganz viele solcher Momente!

Da ich mich nicht für einen Tanz aus der Finalshow entscheiden kann, hier zum einen der unglaubliche Paso Doble von John & Johannes:

… und zum anderen der nicht minder beeindruckende Couple’s Choice von Rose & Giovanni, bei dem in der Mitte die Musik stoppt und die beiden weiter tanzen – unglaublich berührend:

4 Kommentare

  1. Ein frohes neues Jahr und danke fürs Heimkommen und Durchlüften!
    Ich habe dein Blog nie aus meinen Reader-Abos entfernt und freue mich, mal wieder auf eine Tasse Tee vorbeischauen zu können.
    Hoffentlich mehr davon in 2022.

  2. Mehr so eine Art Zweitwohnung am Meer? Aber auch da muss gelüftet werden.
    (Strictly: Habe ich noch nie versucht, aber ich höre seit Jahren Gutes. Dennoch bräuchte ich erst einen großen Anstupser, um mal reinzuschauen.)

    1. Lüften mit Meeresluft wär ja noch besser… 😉
      Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich die deutsche Version genauso gerne gucken würde… aber ich bin jetzt einfach hooked.

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