Unvorhersehbares.

Manchmal trifft es einen wie ein Orkan aus dem Nichts. Man hat es einfach nicht kommen sehen. Eher selten ist es ein Lottogewinn, eine Gehaltserhöhung, ein Brief oder eine Nachricht von einem lieben Menschen, von dem man lange nichts gehört hat.
Zumindest gefühlt ist es öfter etwas Negatives. Ein Streit, ein Unfall, im schlimmsten Fall ein Todesfall. Das haut einen erstmal um. In der Ruhe nach dem Sturm fragt man sich, ob man es hätte kommen sehen können. Oder gar müssen. Ob man vorsichtiger hätte sein können. Ob man nicht mit seinen Handlungen etwas hätte beeinflussen können.

In der U-Bahn sah ich gestern einen blinden Mann, der zunächst geschickt mit seinem Smartphone mit Sprachfunktion hantierte. Am Hauptbahnhof stieg auch er aus und dank seines Stockes fand er sicher den Weg zur Rolltreppe, die er dann in bewundernswerter Geschwindigkeit rauflief. Es war sicher nicht sein erstes Mal.

Irgendwann war er nicht mehr in meinem Blickfeld und ich kam zu einer defekten Rolltreppe. Unvorhersehbar für mich, aber auch kein großes Problem, daneben war ja, gut sichtbar, eine Treppe. Für ihn, sollte er auch diesen Weg genommen haben, jedoch natürlich im wörtlichsten Sinne unvorhersehbar. Und eine viel größere Hürde – wenn auch sicherlich gut zu meistern für ihn. Denn auch ohne zu sehen, läuft er sicher mit mehr Vorsicht durchs Leben als ich und rechnet immer mit dem Unvorhersehbaren.

Ordnung.

Ich mag’s ja nicht, wenn ich mit dem Auto in die Arbeit fahren muss – warum nicht, hab ich heute auf dem Heimweg mal wieder leidvoll festgestellt, als ich statt 35 Minuten anderthalb Stunden gebraucht habe.

Was ich aber mag: Gutes Radioprogramm beim Autofahren. Nur leider hab ich heute auf einer Fahrt zu einer Veranstaltung zu spät Bayern2 eingeschaltet, wo es in einer Sendung um Ordnung ging. Genau mein Thema. Ich LIEBE Ordnung! Was leider nicht damit einhergeht, dass ich gerne aufräume. Das ist ein absoluter Trugschluss. Schade, ist aber so…

Aber, auch in der Kürze des Radiobeitrags mit dem schönen Titel “Ausmisten und Aufatmen” kam die wichtige Erkenntnis an: Die äußere Ordnung spiegelt die innere Ruhe wider. Ist ja auch logisch, irgendwie. Da kann man noch so viele Yogakurse machen, wenn man dann heimkommt und da schaut’s aus wie Sau, ist es schon wieder vorbei mit der Ruhe und Gelassenheit. Bei mir zumindest. Auf der anderen Seite: Wenn man Profi-Yogi ist, darf einem doch das auch nix mehr anhaben. Oder?

Egal. Neuer Vorsatz, mal wieder: Mehr Ordnung, mehr Ruhe. Ordnung in der Wohnung, Ordung und Ruhe in der Seele und im Geist… dieser gesunde Geist dann in einem gesunden Körper. Schon ein hohes Ziel, scheint mir. Ich bin von der Erleuchtung noch weit entfernt….

Team.

In meiner (sehr guten!!) Fortbildung, die leider nach 3×2 Tagen schon wieder vorbei ist, ging es beim letzten Mal um das Thema “Team”. Wir haben gelernt, dass das Wort Team inflationär verwendet wird. Nicht nur im Sinne von “Toll: ein anderer macht’s”. Denn längst nicht in allem, wo Team drauf steht, steckt auch Teamgeist drin.

Die Referentin schlug vor, doch zunächst mal alles als Arbeitsgruppe zu bezeichnen. Zum Team gehört nämlich viel mehr: Ein klares und gemeinsames Ziel. Eine Teamstruktur, in der die Mitglieder verschiedene Rollen ausfüllen. Gemeinsame Normen und Regeln. Kooperation und Kommunikation. Synergien durch sich ergänzende Kompetenzen. Teamspirit. Und auch eine Arbeitsenergie, bei der sich andere denken “Wie ist sowas möglich? Dort würde ich auch gern arbeiten!”

Hier wird schnell klar, dass solche Teams im Berufsleben wirklich nicht weit verbreitet sind. Der Begriff Team passt also vielleicht doch am besten beim Sport. Aber da haben wir ja nun “Die Mannschaft”. Wo wahrscheinlich noch viel mehr drinsteckt als im Team.

Nichtsdestotrotz werde ich im beruflichen Alltag dem Wort Team nicht aus dem Weg gehen können. Sicherlich sollte man manche Gruppierung, in der man arbeitet, sinnvollerweise als Arbeits- oder Projektgruppe bezeichnen. Aber in der Außen- und auch Innenwirkung macht es ja schon was, wenn man von seinem Team spricht. Der Anspruch ist ja außerdem auch da, zum Team zu werden, wenn man es vielleicht auch noch nicht ist. Ich bin  jedenfalls ganz zufrieden mit meinem “Team to be”.

Midlife Crisis.

Mit Blick auf mein Alter und auf die durchschnittliche Lebenserwartung lässt sich feststellen, dass ich vielleicht noch nicht ganz bei der Hälfte bin, aber doch ganz schön nah dran…

Zeit also für die Midlife Crisis? Zumindest ist sie da, die Sehnsucht nach dem Noch-Jung-Sein und in Korrelation dazu die Ernüchterung, dass es eben einfach nicht mehr ist wie früher. Und ich hab jetzt ein Skateboard.

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Die Gespräche über Krankheiten und Gebrechen  im Freundeskreis nehmen zu, passend dazu nimmt die Partylaune ab… zumindest bei einigen. Auch was die geistige (und körperliche?!) Flexibilität betrifft, mache ich mir bei manchen Sorgen. Hui hui… wie sagt man das aber den Freund*innen? Das ist wohl ein eigenes Thema.

Hoffnung hingegen machen die Nachbarn. Die sind um die 70, in Rente, dauernd auf Achse und wenn wir uns ganz verwegen vorkommen, weil wir mal unter der Woche nicht schon um 22 Uhr im Bett liegen, sondern gar erst um 23:30 Uhr heimkommen, kann man sich sicher sein, dass oben noch Licht brennt.

Nur: Werden wir mit 70 schon Rentnerinnen sein??

 

 

Musik.

Meine ersten Musik-Erinnerungen: Die Plattensammlung meiner Eltern – dabei war Louis Armstrong, zum Beispiel. Die Bee Gees werde ich immer mit meiner Mutter verbinden. Oder auch das Lied If I had a hammer, zu dem wir im Wohnzimmer getanzt haben. Für die lange Autofahrt nach Italien und Griechenland gab’s gefühlt nur eine Kassette, Moonlight Shadow in der Dauerschleife.

Lebensphasenmusik… Ich gestehe, zunächst waren da die New Kids on the Block, danach kam zum Glück gleich Roxette, das war die erste CD und das erste Konzert. In der Erinnerung erscheinen mir meine Jugendtage so endlos lang, oben in meinem eigenen Reich unterm Dach im Reihenhaus, wo ich meine eigene Anlage hatte, auf die ich enorm stolz war. CD-Booklets waren so wichtig – wehe, wenn die Texte nicht drin standen.

Ich weiß nicht, was ich ohne Alanis Morrisette gemacht hätte – That I would be good,  mein Pubertätssong, wenn ich mich mal wieder unverstanden und ungeliebt gefühlt habe. Später wurde es rebellisch, dann hab ich Whisky (Tullamore Dew?!) getrunken, Gudang Garam-Zigaretten gepafft (Inhalieren ging sowieso nie) und natürlich Janis Joplin dazu gehört! Oder, wenn’s mal wieder viel Streit mit meiner Mutter gab: Rage Against the Machine mit Killing in the name of.  Jaaa…. “Fuck you, I won’t do what you tell me!!”. Viel Smashing Pumpkins, Radiohead, aber auch Metallica. Nach dem Tod von Freddy Mercury auf einmal auch viel Queen, den Film Wayne’s World gab’s dann ja auch. Ähnliches Phänomen dann bei Kurt Cobain und Nirvana.
Meine Zeltlagererinnerungen werden nicht nur durch Lagerfeuergeruch wieder geweckt, sondern ganz klar auch durch den Soundtrack von Der mit dem Wolf tanzt.

Das Jahr in England war geprägt von ganz viel Folk Music, allem voran natürlich von meinen Freunden der Band Reckless Elbow. Die Saw Doctors haben wir die ganze Nacht auf Repeat gehört. Bei Helen, bei der ich zur Untermiete wohnte, wurde samstags geputzt und das immer mit den Rolling Stones und den Monkees. Und Graham, ihr Freund, brachte mir Bob Dylan näher.

Welche Lebenssituation wurde eigentlich nicht von Abba besungen? Man könnte fast sagen: Wer in seinem Leben noch nie einen Abba-Moment erlebt hat, hat nicht gelebt.

Studienzeit: FM4 auf Dauerschleife im Nebenjob – und der Start der großen Musiktauschbörse mit dem Lieblingskollegen. Ganz hoch im Kurs in dieser Zeit auch deutsche Musik, von Tocotronic über Stereo Total und 2Raumwohnung bis zu den Sportis und den Helden.

Genau, im Grunde will ich immer noch mein Leben von damals zurück, als es so viel Zeit gab für Musik und keine Zeitfresser wie Facebook und Co.  Heute bin ich froh über die täglichen 2x 18-Minuten S-Bahnfahrt (und dank Stammstreckensperrung, Personen im Gleis, Signalstörung und dergleichen oft genug auch mehr), wo ich mich mit meiner Musik abkapseln kann von allem.

Auf der anderen Seite bin ich dankbar für all die Möglichkeiten auf Musik zuzugreifen, die es heute gibt. Ein Leben ohne Musik auf dem Smartphone, ohne Spotify (und Sonos) ist vielleicht möglich, aber doch so sinnlos…  😉

So gibt es immer wieder Neues zu entdecken, und auch immer wieder krasse Flashbacks, die Musik heraufbeschwören kann – Erinnerung an längst vergessen geglaubte Zeiten, Menschen, Gefühle.

Um es in Anlehnung an Erich Fried zu sagen:

Wer von einem Song seine Rettung erwartet,
der sollte lieber lernen, Songs zu hören.
Wer von einem Song keine Rettung erwartet,
der sollte lieber lernen, Songs zu hören.