Singen.

Singen macht glücklich, das ist an sich nichts Neues (und auch wissenschaftlich nachgewiesen). Als Kind trällert man fröhlich und schamlos vor sich hin, doch irgendwann hört man damit auf. Ich denke, das hat auch viel mit Schamgefühl zu tun – wie oft sagen Leute von sich, dass sie nicht singen können. Auch ich gehöre dazu.

Besonders einprägsam war für mich der Musikunterricht am Gymnasium. Wir hatten für einige Jahre eine tollen, blondgelockten, alternativen Musiklehrer, dem es total wichtig war, dass im Unterricht gesungen wurde. Während ich mich an das Singen in der Grundschule kaum erinnere, außer vielleicht an das Einproben der Bayerischen Hymne für das Aufstellen des Maibaums (jaja…), kann ich mich sehr gut an die vielen tollen Lieder erinnern, die wir am Gymnasium gemeinsam gesungen haben – vom “Wumba Tumba Schokoladeneisverkäufer” quer durch alle Beatles Songs bis hin zu den Stones (Mother’s Little Helper) und Bananarama (Venus!).

Doch irgendwann passierte es: meine Banknachbarin und ich schmetterten wohl besonders voller Inbrunst, sodass uns gesagt wurde, wir sollten doch lieber mitpfeifen… als wir das taten, kam schließlich die Ansage, wir sollten doch besser nur synchron die Lippen bewegen. Ab da war es geschehen, ich schämte mich für meine Singstimme und tat viele Jahre genau nur noch das: synchron die Lippen bewegen.

Nun ist das natürlich so eine Sache mit der Erinnerung: ich behaupte, es hat sich genau so zugetragen und auch meine damalige Banknachbarin erinnert sich an diese Version. Bei einem Abitreffen besprachen wir das mit ebendiesem mittlerweile blondgrau gelockten Musiklehrer und er wies voller Überzeugung von sich, jemals so etwas gesagt zu haben. Wenn man ehrlich ist: es passt auch nicht zu ihm. Doch auch wenn wir vielleicht rumgeblödelt hatten und deshalb zur synchronen, aber stummen Lippenbewegung aufgefordert worden waren, meiner Erinnerung nach war das eben das Ende des Singens für mich. Für viele Jahre. Dabei liebte ich es, im Zeltlager am Lagerfeuer mit der Gitarre Lieder wie “Country Roads” oder “Es lebe der Zentralfriedhof” zu singen – doch meist sang ich dann nur ganz leise für mich hin, sodass es ja niemand hören konnte.

Das Singen kam dann durch meine Frau zurück in mein Leben. In meiner Familie werden genau einmal im Jahr, nämlich an Weihnachten, mehr schlecht als recht zwei bis drei Weihnachtslieder zusammen gesungen -um um das Singen herum zu kommen, packe ich da auch gern mal meine Kindheits-Blockflöte aus, Weihnachtslieder kann ich schließlich noch aus dem Effeff.
In der Familie meiner Frau hingegen wird immer gesungen, wenn es irgendwie geht. Karaoke ist hoch im Kurs, bei Festen wird zur Musik nicht nur wild getanzt, sondern auch lauthals gesungen. Außerdem spielt meine Frau Gitarre und Ukulele, dazu muss ja gesungen werden.

In solch zwangloser Atmosphäre (oft unter Alkoholeinfluss) fiel es mir dann auch zunehmend leichter, mitzusingen – und zu merken, dass es hier einfach nur um die gemeinsame Freude am Singen geht und nicht um den perfekt getroffenen Ton. Für unsere alte Playstation 2 haben wir alle SingStar-CDs, die es gibt, und es macht immer wieder riesigen Spaß, mit Freund*innen hier die alten Hits lauthals zu schmettern. Ich bin schließlich immer schon Musikfan gewesen und kann die Texte zu vielen Liedern auswendig.

Eine neue Herausforderung für mein Schamgefühl stellte sich dann, als es darum ging, unser Lieblingslied “Don’t go” von Toby auf unserer Hochzeit mit Ukulele und Kazoos vorzutragen. Zum Glück bestand das Publikum aus uns wohlgesonnenen Freund*innen und Freunden, die mit einstimmten, und so passte es ganz wunderbar zum glückseligen Gefühl an diesem Tag. Mittlerweile haben wir dieses Lied immer wieder gemeinsam gesungen, zuletzt bei der Feier zu unserer “Umtragung” der Lebenspartnerschaft in die Ehe.

Ich kann jedenfalls bestätigen, dass Singen glücklich macht und kann alle nur ermutigen, sich nicht von vermeintlichem Unvermögen davon abhalten zu lassen. Auch wenn es eine Plattitüde ist – Singen kann wirklich jede*r.  Darum ist es auch eine so schöne Entwicklung, dass es mittlerweile spontane Zusammenkünfte zum Rudelsingen gibt wie Go Sing Choir.

Wer mehr zum Thema sehen mag, dem/der seien zwei Filme ans Herz gelegt:

  • Einfach Glück, eine Dokumentation der wunderbaren Anke Engelke mit dem “Chor der Muffeligen”
  • Wie im Himmel, ein rührselig schönes schwedisches Musikfilm-Drama

Noch ein Profi-Tipp zum Abschluss: Am einfachsten punkten kann man bei SingStar übrigens bei Mamma Mia.

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