Erinnerungen.

Die Dose sieht ein bissl gruslig aus, oder? Auch wenn man nicht Vegetarierin ist – ein kulinarischer Hochgenuss ist das nicht. Warum hab ich das Zeug also gekauft? Allein wegen der Erinnerung: Als Kind war ich mit meiner Familie zweimal in Griechenland und in meiner Erinnerung waren wir da ganz viel mit unserem Schlauchboot unterwegs. Zu einsamen Buchten, ich Pumuckls Klabautermann zitierend/spielend vorne als Gallionsfigur. Natürlich hatten wir auch immer eine Kühltasche dabei, und eben auch Frühstücksfleisch für eine ordentliche Brotzeit. Dieses hat einfach nur unglaublich lecker geschmeckt.

Aber wie geht das zusammen, wenn es doch nachweislich bei meinem jetzigen Test (sehr ähnliche Testbedingungen, auch in Griechenland, unterwegs zwar nicht mit dem Schlauchboot, aber mit dem Kajak) eher nichtssagend bis gar nicht geschmeckt hat? Nun kann sich natürlich mein Geschmack oder die Rezeptur in den letzten *hüstel* gut 30 Jahren geändert haben (“New improved recipe”, steht ja sogar drauf). Viel wahrscheinlicher ist es jedoch, dass es an der rosaroten Brille der Erinnerung liegt. Ich habe einfach diese Familienurlaube in verklärt romantischer Erinnerung, vielleicht weil es die letzten zu viert waren, bevor mein Vater auszog – oder weil sie besonders waren, da wir sonst eher auf unserer Hütte im Zillertal oder mal in Italien Urlaub gemacht hatten. Vielleicht auch weil ich in dem Alter war, wo man am meisten von so einem Urlaub hat.

Eigentlich ist es gut, dass wir die Vergangenheit so oft verklären – denn sicherlich gab es schon in diesen Urlauben viel Zoff zwischen meinen Eltern, außerdem weiß ich auch mittlerweile, dass es einmal sogar recht brenzlig war mit dem Schlauchboot, da ein Unwetter aufkam und meine Eltern uns fast nicht mehr zurückrudern konnten gegen die starke Strömung… So ist es doch gut, dass ich insgesamt eine so positive Erinerunng habe.

Das ist ja allgemein so, zum Beispiel habe ich mein Jahr in England als “the best time of my life” in Erinnerung, wo alles einfach und sorglos war. Nur wenn ich ehrlicher und genauer zurückdenke, wenn ich Tagebucheinträge und alte Briefe anschaue, dann weiß ich auch, wie viele Tränen ich damals vergossen habe, weil ich so unglaublich verliebt war… in eine Frau… mehr oder weniger unglücklich… und auch mit meiner sexuellen Orientierung damals noch schwer gekämpft habe.

Vielleicht ist es ja Selbstschutz, dass man sich an Schmerz und Schwierigkeiten weniger gut erinnert. So geht es mir auch mit der Erinnerung an meine Mutter – klar denke ich da an die positiven, schönen Erlebnisse mit ihr und nicht an all den Streit und den Kummer, den ich mit und wegen ihr hatte. Wenn ich an meine Großeltern denke, habe ich schöne Bilder im Kopf – und nicht sofort die aus den schlimmen Zeiten, als es ihnen so schlecht ging. Natürlich sind diese Erinnerungen auch da, aber nur wenn ich sie bewusst abrufe.

In unserem diesjährigen Griechenlandurlaub hatte ich eines Abends Lust, mal wieder STS zu hören – natürlich “Irgendwann bleib i dann dort”, aber auch ein paar andere Hits, die ich schon lang nicht mehr gehört hatte. Vorher dachte ich, das würde sicher schöne Erinnerungen an meine Jugendzeit wecken, wo ich die Musik auch viel gehört hatte. Doch als ich die Lieder dann wieder im Ohr hatte, war da auf einmal auch eine ganz starke Traurigkeit und Melancholie, die sich automatisch mit den Liedern einstellte. Ganz klar, die Teenagerzeit war ja geprägt von dieser Last der Welt, die man erstmals spürte, von der Sehnsucht nach Seelenverwandtschaft und Verstandenwerden, von dem ganz starken Gefühl, allein zu sein und eben unverstanden. Interessant, wie das durch die Musik wieder hochkam.

Offensichtlich verbringt der Mensch gerne Zeit damit, sich zu erinnern. Sonst hätte Facebook nicht die “Erinnerungs-Funktion” eingeführt, die einem immer wieder mal alte Posts von vor Jahren präsentiert. Oft klappt das und man freut sich über die Erinnerung. Witzig ist allerdings, dass auch unschönere Dinge (z.B. Bilder von Dingen, über die man sich damals geärgert werden) aufpoppen und Facebook einem unterstellt, dass man sich sicher gern daran erinnert… Facebook versucht das mit der rosaroten Brille überall, aber so funktioniert das nicht.

Wenn man daraus nun einen Schluss ziehen mag, dann vielleicht, dass eben früher nicht alles besser war – doch dass es aber auch schön ist, dass diese rosarote Brille der Erinnerung einem das manchmal so vermittelt. So kann man sorglos in der Erinnerung schwelgen und doch wissen: am schönsten ist es eben immer noch jetzt. In diesem Moment.

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