Rosa.

What a feminist looks like.

Auf dem Weg zur Arbeit überholte ich letzte Woche zwei Mütter mit ihren Kindern. Die eine hatte einen Jungen, die andere ein Mädchen an der Hand. Gerade als ich vorbeiging, hörte ich letztere über ihre Tochter sagen: ” Sie hat eine rosa Kiste mit all ihren Mädchen-Legos drin.” Ich war echt verblüfft. Wahrscheinlich lebe ich wirklich hinterm Mond, aber dass es Mädchen-Lego gibt, wusste ich nicht. Lego habe ich als Kind geliebt, mein Bruder und ich hatten eine Riesenkiste (die war aus Holz) mit vielen bunten Steinen – rosa und lila gab es damals noch nicht.

Einen Tag später hörte ich meinen Lieblingssender EgoFM, und die Moderatorin machte eine Ankündigung, bei der sie es für notwendig hielt, vorab zu betonen, dass sie auf gar keinen Fall eine Feministin sei, auch wenn sie für Gleichberechtigung ist. Ich fühlte mich gleich bemüßigt, sie per Facebook-Nachricht zu fragen, ob denn “Feministin” für sie ein Schimpfwort sei. Netterweise schrieb sie gleich zurück und bestätigte, dass das Wort wohl Entstigmatisierung nötig hätte.

Heute auf Facebook habe ich mir mit Interesse die Getränke- und Speisekarte des neuen Giesinger Stehausschanks angesehen. Und denke, ich seh nicht richtig, dass hier (außer Bier) Getränke explizit für “Damen” (Prosecco, Grüner Veltliner, Zweigelt) und für “Herren” (Gin Tonic, Cuba Libre) angeboten werden. Gin Tonic ist also nix für Frauen, und wehe ein Mann kriegt Lust auf einen Grünen Veltliner.

Das alles in nur einer Woche im Jahr 2017. Mir wird da angst und bange – man hat wirklich das Gefühl, es ändert sich einfach nichts. Dass die Mädchen von heute in einer rosa und lila Welt aufwachsen, ist Realität – ich sehe auch ein, dass sie die Farben gern haben, über KiTa, Kindergarten, Schule beeinflusst werden und es für Eltern gar nicht so leicht ist, dem Einhalt zu gebieten. Das war auch schon früher so. Letztens hatte ich das Foto meiner Einschulung in der Hand – siehe da, ich hatte ein altrosa Dirndl an und meinen geliebten McNeill-Schulranzen in rosa! Nur die Schultüte war rot, das war nämlich die alte von einem Bruder…

Ganz klar, die Farben sind nicht das Problem, genauso wenig wie der Prosecco, denn die Sex and the City-Generation gern trinkt. Das Problem ist die Verniedlichung von Mädchen und Frauen, die Vereinfachung, das Kleinmachen, welches heute mit der Farbe gleich mitgeliefert wird. Die Initiative “Pinkstinks” stellt das gut dar und sagt “Love pink, hate pinkification”. Es sind nicht die Kleinigkeiten, die gern marginalisiert werden, es ist die Summe aller Dinge, die dazu führt, dass das Frauenbild im 21. Jahrhundert immer noch kein gleichberechtigtes ist. Das dazu führt, dass wir immer noch einen Gender Pay Gap haben, dass es immer noch eine gläserne Decke gibt, dass viele Frauen dank Kindererziehung und Teilzeit in der Altersarmut landen. Und leider wohl auch dazu, dass Frauen ohne Konsequenzen von Männern sexistisch angesprochen und belästigt werden können (siehe #metoo).

Deshalb ärgert es mich so, wenn Mädchen (nur) mit rosa Lego und Frauen mit Prosecco abgespeist werden, wenn Frauen sich für Gleichberechtigung einsetzen, aber mit Feminismus lieber nichts zu tun haben wollen. Deshalb möchte ich am liebsten allen Eltern da draußen zurufen: Wollt ihr wirklich, dass sich für eure Söhne und Töchter nichts ändert?!

The disease is growing; it’s epidemic
I’m scared that there ain’t a cure
The world believes it, and I’m going crazy
I cannot take any more
I’m so glad that I’ll never fit in
That will never be me
Outcasts and girls with ambition
That’s what I wanna see (c’mon)
Disasters all around
(Disasters all around)
A world of despair
(A world of despair)
Your only concern
‘Will it fuck up my hair?’
P!nk  ~ Stupid Girls

9 Kommentare

  1. Traurig dass es immer noch Frauen gibt die von sich sagen keine Feministin zu sein und auch schade dass manche sich so gern hinter Schubladen verstecken. Ich hätte gehofft dass sich da schon mehr bewegt hat. Manchmal kommt es mir eher so vor als ob die Weiterentwicklung still steht .

  2. Ja, es geht eher wieder in die andere Richtung, auch wenn man den Frauenanteil im neuen Bundestag sieht.
    Übrigens, als Nachtrag: der Giesinger Stehausschank hat mir zunächst einen Frei-Gin Tonic auf meinen Kommentar zur geschlechtergetrennten Getränkekarte angeboten und diese nun komplett aus Facebook gelöscht…

  3. Mich stört neben der Verniedlichung auch überhaupt diese Einteilung in binäre Oppositionen, bei denen es nun wirklich keine Rolle spielt. Eine solche Einteilung dient auch der Vereinfachung, wünschen wir eine vereinfachte Welt in der alles klar zuordenbar ist, sogar die Getränke? Sprache schaffte Realitäten, im Guten wie im Schlechten. Wir entscheiden, in welcher Welt wir leben wollen, und Sprache hat einen großen Einfluss, auch wenn wir nur eine Speisekarte lesen.

  4. Ich habe festgestellt, dass kleine Mädchen, die eine Vorliebe für Rosa haben, sich durchaus zu gewaltigen Powerfrauen entwickeln können. Selbst wenn sie dann eine heterosexuelle Hochzeit mit allem Prunk und Pomp und Circumstance feiern. Und ich habe festgestellt, dass kleine Mädchen von sich aus gern den ganzen Mädchenkram (Barbiepuppen, die blöden Ponies, rosa Klamotten etc., wahrscheinlich auch Mädchen-Lego) haben wollen und sogar protestieren und heulen, wenn sie z.B. von Muttern einen Kurzhaarschnitt verpasst bekommen. Das wird nicht nur übergestülpt auf die armen kleinen Geschöpfe, das ist durchaus bereits drin. Nur weil es in mir und „dir“ (whoever) nicht genetisch verankert ist, müssen „wir“ nicht automatisch denken, dass alle kleinen Mädchen von der Rosa-Programmierung vergewaltigt worden sind.

    1. Ich kritisiere die Einteilung in Jungs- und Mädchen- Lego, denn sind Bausteine nicht einfach Bausteine? Ich kritisiere Mädchen Ü-Eier, denn ist Schokolade nicht einfach Schokolade und das Spielzeug eine Überraschung? Ich kritisiere den “Mädchen-Globus” in pink, denn ist die Welt nicht wie sie ist?…Es gibt viele Beispiele mehr, und meine Überzeugung ist, dass diese Dinge haben zu wollen nicht intrinsisch angelegt ist, sondern extrinsisch motiviert wird von denen, die damit richtig gut Kasse machen.

  5. Liebe Louli, ich hatte gehofft, in dem Beitrag rüberzubringen, dass es mir nicht um die Farbe geht. Das auf dem Foto bin tatsächlich ich. Glaub mir, ich wollte den rosa Schulranzen so sehr. Ich wollte auch Barbies, doch meine Mutter hat das nicht erlaubt. Also habe ich mit denen meiner besten Freundin gespielt.
    Wie ich geschrieben habe: es geht mir um das Kleinmachen, das Verniedlichen, das mitkommt. Eben die “Pinkification” – klick mal auf den entsprechenden Link.

  6. Das ist so eine Mutter, die wahrscheinlich ihrer Tochter nur die pinken Mädchen Ü-Eier kauft….dieses Mädchen wird wohl nie in zerrissenen Hosen in eine Matschpfütze springen, auf einen Baum klettern dürfen ohne Wehgeschrei der Mutter, was alles passieren könnte…nie am Lagerfeuer sitzen und an einem Ast schnitzend, sich Asche ins Gesicht schmieren und Indianer spielen….nie am Bauch durch den Wald robben…ach Welt du könntest so schön sein, wenn jeder einfach das dürfte, was ihm/ihr taugt, nicht was die Schublade sagt…

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