Merkel.

Gerade liege ich krank darnieder. Mag sein, dass ich wehleidig bin, aber dank dieser Kieferhöhlenentzündung fühlt es sich wirklich jedes Mal wie eine kleine Kopf-Implosion an, wenn ich mich vom Krankenlager erhebe. Kurz und gut, ich hasse das. Aber, ein Gutes hat es, wenn man so auf der Couch vor sich hindümpelt: zwischen Inhalieren, Medizin einschmeißen, Tee trinken und schlafen, schlafen, schlafen kann man z.B. häppchenweise anderthalb Stunden Angela Merkel bei BRIGITTE LIVE gucken. Hätte ich sonst sicher nicht gesehen.

Die Bundeskanzlerin bringt mich auch da wieder in meine übliche Merkel-Bredouille: ich mag sie irgendwie. Nie im Leben würde ich jedoch mein Kreuzchen bei einer konservativen Partei machen – zugegebenermaßen ist das in Bayern auch nochmal eine ganz andere Nummer als in Rest-Deutschland. Doch Angela Merkel schafft es immer wieder, dass ich sie in ihrer Funktion trotz politischer Differenzen streckenweise sympathisch finde. Nun hat sie es auf dem BRIGITTE-Podium auch nicht schwer gehabt mit zwei Journalistinnen, die sicher nicht aus der toughen Ecke sind, sondern denen man anmerkte, wie geehrt sie sich fühlten, die Bundeskanzlerin befragen zu dürfen. Auch die Fragen waren eher weichgespült und so war es über eine Stunde lang ein nettes, humoriges Plaudern.

Ganz zum Schluss durften dann ein paar Zuschauer*innen Fragen stellen. Auf die Antwort zur Frage zur “Ehe für alle” war ich natürlich sehr gespannt, denn seit ihrem “Bauchgefühl” und ihrer Unsicherheit bezüglich der kompletten Gleichstellung hatte sich die Bundeskanzlerin zum Thema nicht mehr geäußert, während gewisse Parteikolleg*innen sich immer sehr beflissen zeigten, den rechten Rand und die Erzkonservativen zu befrieden. Siehe da, der Druck der vergangenen Tage durch die anderen Parteien war auch bei Angela Merkel angekommen, die sich zunächst auf bekannte Weise durch das Thema lavierte, sich aber immerhin für eine Gewissensentscheidung, also die Aufhebung des Fraktionszwangs, aussprach. Ziemlich schwach hingegen fand ich ihre Ausführungen dazu, dass ihr erst durch das Beispiel eines lesbischen Paares mit acht Pflegekindern in ihrem Wahlkreis bewusst wurde, dass das Jugendamt diese Familienform auch unterstützt. Ernsthaft, das war ihr vorher nicht klar?! Dazu dann noch das fast verunglückte Argument, dass es den Kindern doch bei Homo-Eltern viel besser ginge als bei gewalttätigen Hetero-Eltern. Ja…. schwierig, Frau Merkel, hier mit dem “immer noch besser als…”-Geschütz aufzufahren, missfällt mir, und dient wohl auch nur wieder den Rechten und ewig Gestrigen.

Tatsächlich könnte es auf einmal mit der Ehe für alle ganz schnell gehen, schon am Freitag wird abgestimmt (noch dazu namentlich, hehe, das erleichtert doch die Wahlentscheidung im Herbst unter Umständen). Das erfüllt mich mit Freude, denn auch wenn wir nächsten Monat unseren zweiten Hochzeitstag feiern, ist mir sehr bewusst, dass es sich für den Staat lediglich um eine Lebenspartnerschaft handelt, auch wenn es für mich bereits dasselbe wie die Ehe ist. Es macht mich sogar ein klein wenig nervös – was heißt das denn nun konkret für uns? Wie es aussieht, müssen wir zum Standesamt, um unsere Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Aufregend! Das ist wie nochmal JA sagen, was ich auch wirklich gern und voller Überzeugung wieder tun werde! <3
Für mich ist ganz klar, dass wir das auch schnellstmöglich machen wollen. Wann wird es soweit sein? Ein wenig wird es doch sicher noch dauern, bis es umgesetzt ist, vielleicht aber gar schon im Herbst/Winter. Noch eine wichtige Frage: Feiern wir dann nochmal? Feiernswert ist es doch allemal! Aber wie und wo?

Da hat sie ganz schön was ausgelöst, diese Frau Merkel. Geschickt hat sie wieder so lange gewartet, bis es nicht mehr anders ging, um dann der Opposition den Wind aus den Segeln bzw. das Wahlkampfthema wegzunehmen – nicht ohne zu betonen, dass doch auch alle Respekt und Achtung verdienten, die da noch anderer Meinung sind. Taktisch klug, allemal. Diplomatisch, auch das. Bewundernswert, irgendwie. Sympathisch? Nein. Das war es für mich nicht. Mein Recht auf Gleichstellung wurde instrumentalisiert. Natürlich von allen Parteien. Aber ganz besonders von Frau Merkel. Meine Stimme kriegt sie wieder nicht. Nix für ungut.

13 Kommentare

  1. Oh, böse. Aber da ist schon viel dran. Wobei ich immer noch denke, es lag und liegt nicht an ihrer fehlenden Entschlusskraft, sondern daran, dass sie bei manchem (siehe Atomausstieg) den rechten Parteirand (und noch “Potenzial” weiter nach rechts) nicht verprellen wollte. Trotzdem, ja: Danke für nichts, das trifft es ganz gut.

    1. Also ich hab’s jetzt noch nicht gelesen, will aber ganz allgemein sagen, dass ich glaube, dass die Merkel tatsächlich ein Problem damit hat…sie ist da nicht so liberal in ihrer Denke. Ihr fehlte es nicht an der Enschlusskraft, sondern an dem Willen gleichgeschlechtliche Paar rechtlich gleich zu behandeln.

    2. Sehe ich auch so wie Nicole!

      Nichtsdestotrotz freue ich mich natürlich sehr für alle, die jetzt endlich heiraten können 😀

  2. Merkels Entscheidung wurde aus wahltaktischen Gründen getroffen und nicht aus innerer Überzeugung heraus. Das liegt auf der Hand. Aber letztlich zählt das Ergebnis. Also freuen und heiraten.
    Und dir liebe Bettina gute Besserung!

  3. Danke, Maria. Ja, das war wieder mal ihre unnachahmliche Taktik. Von daher: kurz abschütteln, dann freuen. Und dann heiraten, wer mag und es noch nicht getan hat. Für mich ist es das dann nicht mehr, ich bin seit zwei Jahren verheiratet und freue mich, wenn es der Staat dann auch anerkennt. Für uns wird es dann eine Erneuerung des Eheversprechens, auch schön.

  4. Ich bin auch kein Merkel-Fan und werde auch nicht CDU wählen, aber muss man denn jede Entscheidung auf Teufel komm raus schlecht reden oder als Wahltaktik abtun (auch wenn es die Option auch gibt)? Vielleicht hat sie auch einfach wirklich ihre Meinung überdacht, sollte man jedem zugestehen! Und dass sie sich nicht immer einwandfrei ausdrückt, macht sie menschlich und nicht zwingend unsympathisch!

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