John.

John hat mich nachhaltig beeindruckt.  In Wirklichkeit heißt er nicht John, aber für diesen Text will ich ihn einfach mal so nennen. Denn John hat kein Blatt vor den Mund genommen, er hat nicht taktiert oder überlegt, ob seine schonungslose Ehrlichkeit ihn in Schwierigkeiten bringen kann. Er hat einfach frei von der Leber weg gesprochen. Es wäre schön, wenn es mehr Leute wie John gäbe.

John ist Dozent an einem College in Schottland. Dort unterrichtet er Hospitality & Cookery, und das schon seit einigen Jahren. Wir waren vom College eingeladen worden, um einen Einblick zu bekommen, wie auf dem College junge Menschen mit einer Behinderung neben Menschen ohne Behinderung ausgebildet werden, und um einen möglichen Austausch zu planen.

Doch im Gespräch mit John sollte es wenig darum gehen. Denn John war frustriert: Während die umliegenden Restaurants und Hotels händeringend ausgebildetes Personal suchten und ihm sagten, er solle ihnen doch bitte dringend Leute schicken, gehen die Studierendenzahlen am College zurück. Das College bekommt Gelder vom Council pro Studierender/Studierendem, also eine besorgniserregende Entwicklung. Obwohl das College beste Voraussetzungen bietet, ein Trainings-Restaurant und ein Bistro sowie zwei Küchen, und mit John und seinen Kolleg*innen auch hochmotivierte Dozent*innen, gelingt es immer weniger, die Jugendlichen für die Ausbildung zu gewinnen.

John sagte uns, viele wollten eher YouTube-Stars werden, als harte Arbeit in der Küche leisten. Sie kämen und wunderten sich, dass sie das Gemüse selbst waschen, schälen und kleinschneiden müssen – wo doch in den Kochsendungen immer schon alles fertig vorbereitet ist. Sie wollten direkt Millionäre werden, ohne den Umweg als Tellerwäscher zu nehmen. Also fragten sie John, wer denn eigentlich den Abwasch mache und seien entsetzt, dass sie das selbst machen sollen. Sie merkten schnell “it’s a job” und sind dann genauso schnell wieder weg.

John sagte, er habe schon alles probiert – von Schnuppertagen für Schüler*innen über die Teilnahme an allen möglichen regionalen Veranstaltungen, doch diese Art von Beruf ziehe einfach kaum noch jemanden an. Es gäbe in Schottland Restaurants mit Michelin-Sternen, die nur noch an drei Tagen in der Woche öffnen können, weil ihnen das Personal fehle.

60% der Angestellten in Hotels und Restaurants sind nach Johns Einschätzung Ausländer*innen. Und jetzt gerät er erst so richtig in Fahrt, denn er ist beim Brexit angelangt. John schildert uns, wie dieser bereits jetzt drastische Auswirkungen hat: Niemand könne einem Familienvater aus Polen versichern, dass er auch nach dem Brexit noch bleiben kann. Also beschließt dieser mit seiner Frau, lieber jetzt sofort Großbritannien den Rücken zu kehren, bevor das alle machen und die Chancen, woanders Fuß zu fassen, geringer werden.

Die Landwirte in der Umgebung, die Gemüse und Fleisch für die Restaurants und Hotels liefern, wüssten nicht, wie sie ohne Fördergelder der EU weitermachen sollen. Wer wird also weiterhin die Rohstoffe liefern, die es für diese Berufssparte braucht? Mittlerweile stehen John Tränen in den Augen. Und uns auch. Denn er brennt für sein Handwerk, er liebt seinen Beruf, die Zutaten, das, was er daraus schafft – das hat er uns eindrücklich vor Augen geführt. Er würde gern jungen Leuten diese Leidenschaft weitergeben, ganz egal, ob die aus Schottland oder aus einem anderen Land kommen. Doch die Zukunft sieht nicht rosig aus für John und seine Zunft.

Eine Begegnung, die mir so schnell nicht wieder aus dem Kopf gehen wird. Ich bin John dankbar für seine Ehrlichkeit.

4 Kommentare

  1. Ein guter Anfang wäre aber auch wenn klassische Handwerksberufe (Koch, Bäcker, Metzger, etc.) ordentlich entlohnt würden, dann würden glaub ich auch mehr Leute wieder diese Richtung einschlagen. Da muss man schon sehr viel Enthusiasmus und Berufsstolz mitbringen wobei auch das mittlerweile auf dem weg der Besserung ist, siehe Kumpel & Keule in Berlin usw.

    1. Gilt ja leider für viele Berufe, siehe auch Pflege. Das Geld fließt leider in weitaus weniger wesentliche Bereiche, das ist das Traurige.

    2. Absolut, Handwerk ist ja nur ein Feld das ich aufgegriffen habe weil es eben in deinem Blogpost darum ging. Die ungleiche und meist auch unfaire Bewertung verschiedener Berufe und ganzer Berufsfelder wird immer mehr deutlich.

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