Händchenhalten.

Mit dem Hashtag #HoldTight lancierte die australische Bank ANZ eine Kampagne zur Stärkung von LGBTQI*-Sichtbarkeit (und zur eigenen Imagepflege natürlich), denn:

Even in 2017, the simple act of holding hands is still difficult for some people.

Das Video stimmt mich nachdenklich. Auch wenn ich mich grundsätzlich als relativ „out and proud“ bezeichnen würde, habe ich mich schon dabei ertappt, die Hand meiner Frau in gewissen Situationen loszulassen oder nicht zu halten. Aus Angst, doof angeschaut oder gar angemacht zu werden, meist in gewissen Stadtteilen oder Situationen und auch in Gegenden und Ländern, die mir nicht vertraut sind. In vielen Fällen ist eine solche Angst wahrscheinlich unbegründet und es würde uns nichts passieren. Ein schiefer Blick tut außerdem nicht weh. An guten Tagen kann ich aktivistisch sein und mir denken “Hier und jetzt erst Recht!”. Doch ist das mitunter (zu) anstrengend, kräftezehrend.

Es ist nicht nur das Händchenhalten. In Gesprächen mit Unbekannten oder im Arbeitsumfeld muss man oft in Sekundenschnelle abwägen, ob hier und jetzt ein Coming Out schädlich sein oder zumindest für eine beschämte/betretene Reaktion sorgen kann.

“Coming Out” klingt so groß. Das ist es auch (immer noch), wenn man zum Beispiel seinen Eltern offenbart, dass man homosexuell ist. Im beschriebenen Kontext meine ich aber gar keine langatmigen Erklärungen oder Offenbarungen. Es ist falsch gedacht, wenn Leute sagen, man solle eben einfach zurückhaltend sein und müsse nicht jedem gleich seine sexuellen Vorlieben unter die Nase reiben. Ihnen möchte ich zurufen: „Leute, ihr macht das die ganze Zeit! Überlegt mal, wie oft ihr nur im Nebensatz euren Mann/Freund oder eure Frau/Freundin erwähnt!“

Ich lebe nun einmal nicht allein, warum sollte ich also so tun? Warum sollte ich erzählen, ich sei im Urlaub in England gewesen – wenn doch WIR in England waren. Warum sollte ich nicht vom letzten Kinobesuch oder Kochversuch am Wochenende erzählen, den wir gemeinsam unternahmen? Warum sollte ich nicht erwähnen, dass meine Frau Lehrerin ist, wenn sich das Gespräch um das Thema Schule dreht? Jede/r Heterosexuelle erzählt genauso nonchalant von seiner Freundin oder ihrem Mann.

Leider stelle ich diesbezüglich hin und wieder eine innere Hürde in mir fest -je nachdem, um welche Situation es geht, freilich. Dann muss ich mir bewusst vornehmen, „ganz natürlich“ damit umzugehen. Und bin dann erstaunt, wenn das andere tun. Wie letztens bei einer Fortbildung, wo beim Essen ein junger Mann ganz selbstverständlich einer anderen Teilnehmerin erklärte, dass sein Kollege, der auch dabei war, außerdem sein Ehemann ist. Mein Herz hat da einen richtigen Hüpfer gemacht – und das nicht nur, weil mein Gaydar richtig gelegen hatte.

So etwas gibt mir die Hoffnung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ähnlich ging es mir am Valentinstag. Auch wenn das nun nicht zwingend ein Anlass ist, den wir feiern, ergab es sich, dass wir am Abend in einem Restaurant aßen – zusammen mit lauter Heteropärchen. Beim Verlassen des Lokals erhielt jede Dame dieser Pärchen von der Chefin eine Rose. Und siehe da, als wir gezahlt hatten, kam die Chefin mit zwei Rosen zu uns. Ich gestand ihr, dass ich mich schon gefragt hatte, wie sie das denn bei uns wohl machen würde. Sie lachte und sagte, darauf wäre sie immer vorbereitet. Leider habe ich versäumt, sie zu fragen, wie sie bei einem Männerpaar verfahren wäre – keine Rose, zwei Rosen?

Solche positiven Erlebnisse machen mir jedenfalls Mut. Aber auch die Tatsache, dass große Firmen mit Kampagnen wie der obigen (in Deutschland vergleichbar auch die aktuelle Telekom-Werbung) vielfältige Lebensweisen unterstützen und sich gar von dieser Offenheit Pluspunkte fürs Image versprechen. So nehme ich mir fest vor, zukünftig öfter mal die Hand meiner Frau ganz fest zu halten, wenn ich eigentlich den Impuls verspüre loszulassen und mir nicht auf die Zunge zu beißen, wenn mir auf selbiger läge, von ihr zu sprechen.

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