Dankbarkeit II.

Undankbar sein ist so einfach.
Dankbar sein für die schönen Dinge ist schon schwerer.
Doch dankbar sein für die schlechten und schweren Dinge, die einem widerfahren, das ist die echte Herausforderung.

Mal bei den kleinen Dingen angefangen:
Soll ich nun etwa dankbar dafür sein, dass es mich gestern morgens mit dem Radl gelegt hat, weil ich nicht mit dem Blitzeis gerechnet hatte? Das wohl nicht.
Es wäre auch etwas viel verlangt, gleich damit zu kommen, dass ich ja dankbar sein kann, dass ich überhaupt ein Fahrrad habe und dass ich aus einer schönen Wohnung in einer wunderbaren Stadt kam, um zur Arbeit zu fahren, die mir Spaß macht… Stimmt ja alles, aber verdammt, es hat erstmal wehgetan und war ärgerlich.
Aber wie es eben bei allem ist – mit etwas Abstand kann ich schon dankbar sein, natürlich für all das obige und außerdem dafür, dass mir außer ein paar blauen Flecken nix passiert ist. Das kann leider auch ganz anders ausgehen.

Viel schwerer fällt es einem natürlich, das Positive zu sehen, wenn einem ein größeres Missgeschick oder gar ein großes Unglück oder Unrecht widerfahren ist.

Ist denn wirklich alles zu irgendetwas gut?
Früher hab ich mir leichter getan, diese Frage mit Ja zu beantworten. Doch haben mich auch all die Krisen, Misserfolge, Enttäuschungen und schlimmen Ereignisse in meinem Leben (die zugegebenermaßen auf einer Skala eher weiter unten angesiedelt sind als bei vielen anderen Menschen, erst Recht global gesehen, aber mein schlimm ist eben mein schlimm, anders als bei Tocotronic
) zu der gemacht, die ich heute bin.

Die Menschen, die sterben mussten und die ich verloren habe, haben mich geprägt. Aus den Fehlern, die ich gemacht habe, habe ich gelernt. Erfahrungen, die ich gemacht habe, haben mich Demut gelehrt. Das waren zum Teil bittere Erfahrungen, darunter auch Erfahrungen, die mich heute noch nicht ganz loslassen… aber dennoch, dank ihrer habe ich mich persönlich weiterentwickelt. Auch wenn ich mir wünschen würde, dass ich das eine oder andere nicht hätte erleben/durchleben müssen, es hat mich auch weitergebracht.

Gerade in diesen persönlichen Krisen habe ich auch so viel Positives erleben dürfen:
Dass ich auch schwach sein darf. Dass ich eine Frau an meiner Seite habe, die in guten und in schlechten Zeiten zu mir steht. Dass ich echte Freundinnen und Freunde habe, die da sind, wenn ich sie brauche. Dass da viel Kraft in mir ist, auch wenn es sich nicht immer so anfühlt. Dass nicht immer alles schwarz und weiß und eindeutig ist. Dass ich mir selber treu sein kann. Dass mir verziehen wird und ich mir selber verzeihen kann. Dass ich scheitern und wieder aufstehen kann. Dass nichts sicher ist, aber dass man alles wagen kann und muss.

Dafür bin ich dankbar.

 

 

 

 

 

 

 

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