Gehirnjogging.

Dass ich mal an einer Konferenz des “Munich Center for Mathematical Philosophy” teilnehmen würde, hätte ich ja auch nicht für möglich gehalten. Zur Teilnahme bin ich wie die Jungfrau zum Kind gekommen – ich bin einfach mit meiner gescheiten Frau und einem ebenso gescheiten Freund mitgegangen, weil ich dachte, dass das Thema ganz interessant klingt.

Mir war vorher auch nicht klar, dass es eine Konferenz in kleinem Rahmen ist, an der (außer uns) nur Leute vom Fach teilnahmen, und darunter viele Doktor*innen und Professor*innen. Mein durchgehendes Gefühl war es also, mir wie Falschgeld vorzukommen. Andererseits finde ich es auch eine legitime Sache, das Hirn mal in eine ganz andere Richtung zu bewegen, außerdem bin ich neugierig und hatte an diesem Wochenende auch nichts anderes vor. Nicht zuletzt war es für die Veranstalter*innen offensichtlich okay, auch ohne entsprechenden Lebenslauf teilzunehmen. Natürlich sah mich als “Gasthörerin” – ein Philosophiestudium hätte es wohl schon gebraucht, um sich an den Diskussionen zu beteiligen.

Doch zurück zu dem, was mein Hirn bewegt hat und was ich mitgenommen habe. Das Thema der Konferenz war das Buch “Ethics for a broken world – Imagining Philosophy After Catastrophe” des neuseeländischen Philosophen Tim Mulgan, der auch selbst anwesend war. Ich zitiere mal aus der Konferenz-Website (weil ich noch nie gut im Zusammenfassen war…):

Mulgan entwirft eine Welt, in der die meisten uns bekannten Strukturen wie Staaten, Medien oder Religionen aufgrund eines heftigen Klimawandels zusammengebrochen sind. Er hinterfragt, ob die politische Philosophie, die wir derzeit betreiben, mit Umwälzungen dieser Art umzugehen vermag.

Mulgan setzt dabei nicht nur auf die gängigen Mittel der akademischen Analyse, sondern geht einen ungewöhnlichen Weg. Indem er sich und den Leser ganz in eine fiktive „broken world“ versetzt, erzählt er eine Geschichte von den Lebensumständen, die wenig mit unserer Überflußgesellschaft gemein haben. Den Menschen in der „broken world“ geht es um das reine Überleben, denn angesichts der Zerstörung der Welt sind sogar die grundlegendsten Güter wie Wasser oder Nahrung knapp geworden. Die Bewohner dieses Szenarios sehen kopfschüttelnd auf unsere Philosophie des Überflusses, die es nicht vermag, den Klimawandel und tiefgreifende humanitäre Krisen aufzuhalten oder wenigstens zu mildern.

Da unter den gegebenen Umständen in der “Broken World” nicht die Grundbedürfnisse aller befriedigt werden können, geht Tim Mulgan in seinem Zukunftsszenario auch von sogenannten “Survival Lotteries” aus, die es geben wird. Ich musste da gleich an die “Hunger Games” und andere Dystopien denken. Mulgans “Broken World” liegt auch nicht in unvorstellbar weiter Zukunft, sondern er verortet sie in etwa 100 Jahren… also unsere Enkel und Urenkel durchaus betreffend – and we’re the ones who break their world.

Das macht es auch zu einem Thema, mit dem jede*r etwas anfangen kann. Auch wenn ich manches nicht verstanden habe, weil mir das (wissenschaftliche) Hintergrundwissen fehlte, so habe ich einige Gedankenanstöße mitgenommen. Da ist zum einen die Lust, sich ein bisschen einzulesen in utilitaristische und andere philosophische Ansätze. Zum anderen aber eben die Folgen meines täglichen Handeln für nachfolgende Generationen viel stärker in den Blick zu nehmen – es sind eben keine “distant strangers”, die mit den Folgen des Klimawandels und unseres jetzigen Umgangs mit den Ressourcen zu kämpfen haben, sondern unsere Mitmenschen von heute und morgen!

So ist der Gedanke an die folgenden Generationen, die zurückblicken auf das, was wir getan oder nicht getan haben, einer, den es sich zu denken lohnt. Denn wir zerstören ihre Welt ja sehenden Auges – wir wissen, was wir tun!
Besonders eben mit dem Blick auf den Klimawandel, aber auch mit Blick auf politische Entwicklungen, Gesellschaftsbilder, Geschlechterrollen, Machtverhältnisse in der Wirtschaft etc. – auch diese Gesichtspunkte wurden in der Konferenz beleuchtet. Spannend war’s, anstrengend und anregend. Es schadet aber nicht, mal die Filterblase zu verlassen und sich auf was ganz anderes einzulassen!

 

 

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