Snail Pace.

Von wegen unser Plan B ist das Rentner*innenprogramm. Statt Coast2Coast-Walk schipperten wir mit dem Hausboot über den Leeds-Liverpool-Kanal und es war ganz schön abenteuerlich!


So ein 15 Meter langes Boot will erstmal beherrscht werden. In der Theorie ist es ja ganz klar, das Ruder muss nach links, damit es nach rechts geht und umgekehrt. Aber in stressigen Situationen, wenn beispielsweise an einer engen Stelle ein anderes Boot entgegenkommt , kann man sich schon mal vertun. Fun fact: auf dem Kanal herrscht Rechtsfahrgebot, wenn jemand entgegenkommt. Jedenfalls, wie steht es so schön auf der Website von Bootsverleiher: it’s normal to go aground.


Haben wir also am ersten Tag gleich mal gemacht. Schnell waren zwei junge Frauen, die mit dem Hund Gassi gingen, zur Stelle – zusammen versuchten wir einiges, um wieder loszukommen und fachsimpelten, was wohl der beste Weg war. Schnell kam noch ein älteres Ehepaar dazu, aber auch wenn sich das Boot mal leicht bewegte durch unsere Versuche, uns abzustoßen oder vor- und zurückzubewegen, wir hingen hinten total fest. Doch während wir schon die Notfallnummer des Verleihers wählten, kam ein Bootsbesitzer, der sehr überzeugend meinte, er würde uns da rausziehen. Doch auch er schaffte es nicht, erst ein Wide Beam Boat zog uns zurück in die Mitte des Kanals, wo man fahren soll, um eben nicht in shallow waters steckenzubleiben.


Auch die Swing Bridges, und davon gab es grad am ersten Tag viele, waren nicht alle so easy. Für die meisten brauchte man richtig viel Kraft, um sie in Bewegung zu versetzen, bei anderen mussten elektronisch die Schlagbäume runtergelassen werden, womit man den ganzen Verkehr in einer Ortschaft zum Erliegen brachte, nicht nur höchstens einen Traktor bei einer einfachen Swing Bridge.


Aber das war ja noch nix gegen die Locks, also die Schleusen, die uns ab dem zweiten Tag erwarteten. Wir hatten vorher schon ordentlich Respekt (okay, Schiss) um ehrlich zu sein. Und das nicht ohne Grund, wie wir feststellten. Auch der Vorgang des Schleusens ist ja an und für sich logisch einfach nachzuvollziehen. Die entsprechende DVD haben wir uns auch brav 2x angeschaut. Doch muss man ja nicht nur das Boot richtig reinzirkeln, sondern auch die Mechanik richtig und in der richtigen Reihenfolge durchführen. Was passiert, wenn man das nicht so macht, ist unter “True Stories” im Boater’s Manual zu anschaulich beschrieben… Kraft kostete das Ganze außerdem, es galt viel zu Kurbeln, was nicht immer bestens geölt war und schwere Tore zu öffnen.


So waren wir froh, zu Beginn auf einen erfahrenen Bootsbesitzer zu treffen, der vor dem Lock damit beschäftigt war, sein Boot zu streichen – auf meine unsichere Frage nach dem Lock reagierte er gleich mit “Do you need a hand?”, was ich dankbar annahm. Später waren wir mit Jim und seiner Frau Susan sowie deren zwei Cousinen ein Lock-Team. Deren Boot hatte dann mal ordentlich Schlagseite, weil sich eine Leine verfangen hatte. Hach, aufregend war’s und anstrengend, sodass wir nach drei Schleusen erstmal alle zusammen Bier und Whisky trinken mussten. Vor dem Abendessen, hui hui…


Dass Bootfahren und Alkoholkonsum zusammengehören, durften wir in den nächsten Tagen noch mehrfach feststellen – allerdings ist es wirklich zu empfehlen, erst nach dem Anlegen mit dem Trinken zu beginnen.

Am nächsten Tag warteten schlappe 12 Locks auf uns. Zum Glück war meist ein Lock Keeper in der Nähe, der uns half, sich mit uns über den Brexit unterhielt, uns erzählte, wie am Tag vorher welche fast das Boot zum Sinken gebracht hatten und wo das beste Pub zu finden war. Oder eben eine andere Bootscrew, mit der man sich zusammentat. Z.B. Lea, Ced und Captain Valerie, die ihr Boot mit dem Untertitel “Valerie & Friends” versehen hatte, da sie immer Freund*innen als Crew anheuert. Sie legte uns auch ans Herz, den Foulridge Tunnel zu durchfahren, was wirklich ein Erlebnis war. Mit dieser Crew verbrachten wir dann gleich zwei Tage als Team und erfuhren so einiges über das Leben unserer Fellow Boaters.


Alle Neulinge unter den Bootskolleg*innen bestätigten uns, dass sie von einem relaxten Urlaub ausgegangen waren und überrascht wurden von dem Stresslevel, was einen erwartete. Doch all die Mühen sind es ja wert, wenn man sie gemeinsam gemeistert hat und danach wieder die Fahrt durch wunderschöne Landschaften bei traumhaftem Wetter genießen kann. Denn wir erlebten eine sagenhafte Heatwave in England, 5 Tage am Stück kein Regen. Toll ist auch, dass man überall anlegen kann, wo es einem gefällt. Entweder gibt es dann ein Pub in walking distance oder man kocht sich was in der bestens ausgestatteten Kombüse. Und trotz der vielen Arbeit schaltet man dennoch einen Gang runter, denn die Höchstgeschwindigkeit auf dem Kanal sind 4 mph, das ist also nicht schneller als zu Fuß. Und ja, man trifft viele Rentner*innen – v.a. aber immer viele hilfsbereite, freundliche, trinkfeste Brit*innen.


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