Wahlverwandtschaft.

Es gibt so Momente, wo ich wieder ganz genau weiß, warum ich die Branche gewechselt habe.
Gestern war so einer. Ich war zum Beratungsgespräch bei einer Familie. Doch es war eine besondere Familie, wie sich schnell herausstellte. 

Die Großmutter hatte die Mutter des Jungen, um den es bei meinem Besuch ging, vor 7 Jahren adoptiert – und mit ihr die ganze Familie.

Kennengelernt hatten sie sich vor 15 Jahren in einem Asylbewerberheim, wo die Familie nach ihrer Flucht untergebracht war und wo die Großmutter ehrenamtlich arbeitete. Sie spürten schnell eine besondere Verbundenheit – über alle sprachlichen und sonstigen Barrieren hinweg.

Die deutsche Frau half der Familie aus dem Kosovo mit Behördenangelegenheiten, beim Aufbau der Firma des Vaters, eines Lebens in Deutschland, kümmerte sich um die neu gewonnenen “Enkelkinder”, und adoptierte die Mutter schließlich. Zusammen kauften sie dann ein Haus, das sie jetzt zusammen bewohnen. 

Jetzt ist die Großmutter weit über 80 und hat eine Krebsdiagnose. Die Familie ist jetzt für sie da, kümmert sich um sie, fährt sie zum Arzt. Ohne die Bekanntschaft und Wahlverwandtschaft wäre die alte Dame jetzt im Altenheim – sie hat selbst keine Kinder und ist Witwe.

Irgendwann sei es eben an der Zeit zu gehen, sie könne sich nicht beschweren, sagte sie mir. Aber vorher möchte sie noch alles gut geregelt kriegen, damit es ihrer Wahlfamilie gut geht. Denn sie verstehen sich besser und stehen sich näher als manche Blutsverwandte…

Das alles hat mich sehr berührt. Hinzu kam noch, dass die alte Dame mich sehr an meine Großmutter erinnerte. Ich hoffe, wir können noch etwas für den Enkel und die Familie erreichen, bevor sie gehen muss… Diese beeindruckende Frau.

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